- Bioverfügbarkeit beschreibt, wie schnell und in welchem Umfang ein Wirkstoff vom Körper aufgenommen wird und am Wirkort zur Verfügung steht.
- Sie ist ein entscheidender Faktor für die Wirksamkeit von Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln. Eine hohe Bioverfügbarkeit bedeutet, dass mehr Wirkstoff den Körper erreicht.
- Zahlreiche Faktoren wie die Darreichungsform (Tablette, Kapsel), die Einnahme mit oder ohne Nahrung und individuelle körperliche Gegebenheiten beeinflussen die Bioverfügbarkeit stark.
- Durch die Wahl hoch bioverfügbarer Produktformen und die richtige Einnahme können Sie die Effektivität von Nährstoffen und Arzneimitteln gezielt steigern.
Was ist Bioverfügbarkeit? Eine einfache Erklärung
Stellen Sie sich vor, Sie bestellen eine große Kiste mit frischem Obst. Doch auf dem Weg zu Ihnen gehen einige Früchte verloren, andere werden durch den Transport beschädigt. Am Ende kommt nur ein Teil der ursprünglichen Lieferung unversehrt bei Ihnen an. Ganz ähnlich verhält es sich mit Wirkstoffen im menschlichen Körper. Die Bioverfügbarkeit ist das Maß dafür, welcher prozentuale Anteil eines Wirkstoffs – sei es aus einem Medikament oder einem Nahrungsergänzungsmittel – tatsächlich unverändert in den Blutkreislauf gelangt und somit dem Körper zur Verfügung steht.
In der Wissenschaft wird die Bioverfügbarkeit als das Ausmaß und die Geschwindigkeit definiert, mit der eine Substanz aus einer Arzneiform freigesetzt, vom Körper aufgenommen (resorbiert) und an ihren eigentlichen Wirkort transportiert wird. Als Referenzwert von 100 % gilt die direkte Gabe eines Wirkstoffs in eine Vene (intravenöse Injektion), da hierbei der Verdauungstrakt komplett umgangen wird und der Stoff sofort vollständig im Blut ist. Bei oral eingenommenen Mitteln wie Tabletten oder Kapseln ist die Bioverfügbarkeit fast immer geringer als 100 %, da auf dem Weg durch Magen und Darm Verluste auftreten. Das Verständnis dieses Konzepts ist fundamental, denn es entscheidet darüber, ob ein Präparat seine gewünschte Wirkung überhaupt entfalten kann.
Der Weg eines Wirkstoffs durch den Körper
Wenn Sie eine Tablette schlucken, beginnt für den enthaltenen Wirkstoff eine komplexe Reise. Diese Reise entscheidet maßgeblich über seine spätere Bioverfügbarkeit. Zuerst muss die Tablette oder Kapsel im Magen-Darm-Trakt zerfallen und den Wirkstoff freisetzen. Anschließend muss der Wirkstoff die Darmwand durchdringen, um in die kleinen Blutgefäße zu gelangen. Dieser Schritt wird als Resorption bezeichnet. Doch die Darmwand ist eine anspruchsvolle Barriere, die nicht jede Substanz problemlos passieren lässt.
Nach der erfolgreichen Resorption steht dem Wirkstoff die größte Hürde bevor: der sogenannte First-Pass-Effekt (Erste-Leber-Passage). Alle Nährstoffe und Substanzen, die aus dem Darm ins Blut gelangen, werden über die Pfortader direkt zur Leber transportiert. Die Leber ist unser zentrales Stoffwechselorgan und prüft alles, was in den Körper gelangt. Dabei verstoffwechselt (metabolisiert) sie einen Teil des Wirkstoffs und wandelt ihn oft in eine unwirksame Form um, noch bevor er den großen Blutkreislauf erreicht hat. Dieser Effekt kann die verfügbare Menge eines Wirkstoffs drastisch reduzieren. Erst was nach dieser Leberpassage übrig bleibt, wird im Körper verteilt und kann seine Wirkung an den Zielzellen entfalten. Dieser Weg erklärt, warum die oral eingenommene Dosis eines Medikaments oft viel höher sein muss als die intravenös verabreichte.
Welche Faktoren beeinflussen die Bioverfügbarkeit?
Die Bioverfügbarkeit ist keine feste Größe, sondern wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Man kann sie grob in drei Kategorien einteilen, die miteinander interagieren und letztendlich über die Wirksamkeit einer Substanz entscheiden.
Faktoren der Substanz selbst
Die chemische Beschaffenheit eines Wirkstoffs spielt eine zentrale Rolle. Dazu gehören seine Wasser- oder Fettlöslichkeit, seine Molekülgröße und seine Stabilität im sauren Milieu des Magens. Auch die galenische Aufbereitung – also die Darreichungsform – ist entscheidend. Eine schnell lösliche Brausetablette setzt den Wirkstoff anders frei als eine magensaftresistente Kapsel, die sich erst im Darm auflöst. Fein gemahlene Pulver haben eine größere Oberfläche und werden oft besser resorbiert als grobe Kristalle.
Individuelle Faktoren des Menschen
Jeder Körper ist anders, und das beeinflusst die Aufnahme von Stoffen. Das Alter, das Geschlecht, die genetische Veranlagung und der allgemeine Gesundheitszustand sind wichtige Aspekte. Die Funktion des Magen-Darm-Trakts ist hierbei besonders relevant. Eine gesunde Darmflora und eine intakte Darmschleimhaut sind Voraussetzung für eine gute Resorption. Erkrankungen wie Morbus Crohn, Zöliakie oder ein Reizdarmsyndrom können die Aufnahmefähigkeit erheblich beeinträchtigen. Ebenso ist die Leberfunktion für den First-Pass-Effekt von großer Bedeutung.
Äußere Faktoren bei der Einnahme
Was wir zusammen mit einem Präparat zu uns nehmen, hat einen enormen Einfluss. Die Einnahme auf nüchternen Magen oder zu einer Mahlzeit kann die Bioverfügbarkeit komplett verändern. Fettlösliche Vitamine (A, D, E, K) benötigen beispielsweise Fett aus der Nahrung, um optimal aufgenommen zu werden. Gleichzeitig können bestimmte Lebensmittel die Aufnahme hemmen. So binden Gerbstoffe in Kaffee oder Tee Eisen und reduzieren dessen Bioverfügbarkeit. Auch die Wechselwirkung mit anderen Medikamenten oder Nahrungsergänzungsmitteln kann die Aufnahme blockieren, da sie um dieselben Transportwege im Körper konkurrieren.
Bioverfügbarkeit bei Nahrungsergänzungsmitteln: Worauf Sie achten sollten
Gerade bei Nahrungsergänzungsmitteln ist das Wissen um die Bioverfügbarkeit bares Geld wert. Ein hoher Preis oder eine hohe Milligramm-Angabe auf der Verpackung sagen nichts über die tatsächliche Wirksamkeit aus, wenn der Körper den Nährstoff kaum aufnehmen kann. Es gilt der Grundsatz: Nicht die Dosis ist entscheidend, sondern die Menge, die ankommt. Viele günstige Präparate verwenden anorganische Verbindungen, die vom Körper nur schlecht verwertet werden können.
Ein klassisches Beispiel ist Magnesium. Günstiges Magnesiumoxid hat eine sehr geringe Bioverfügbarkeit von oft nur rund 4 %. Ein Großteil wird ungenutzt wieder ausgeschieden und kann zudem abführend wirken. Organische Verbindungen wie Magnesiumcitrat oder Magnesiumbisglycinat werden hingegen deutlich besser resorbiert. Ähnliches gilt für Kurkuma. Der Wirkstoff Curcumin hat pur eingenommen eine extrem schlechte Bioverfügbarkeit. Erst die Kombination mit Piperin (aus schwarzem Pfeffer) oder die Verarbeitung in einer liposomalen oder mizellaren Form steigert die Aufnahme um ein Vielfaches. Bei Eisenpräparaten ist die Situation vergleichbar: Zweiwertiges Eisen (z. B. Eisensulfat) ist besser bioverfügbar als dreiwertiges Eisen. Ein Blick auf die genaue chemische Verbindung auf der Zutatenliste lohnt sich also immer.
Darreichungsformen im Vergleich: Tablette, Kapsel, Tropfen und Co.
Die Art und Weise, wie ein Wirkstoff verabreicht wird, hat den größten Einfluss auf seine Bioverfügbarkeit. Die pharmazeutische Industrie entwickelt ständig neue Technologien, um Wirkstoffe gezielter und effizienter an ihren Bestimmungsort zu bringen. Die Wahl der richtigen Form hängt vom Wirkstoff, dem gewünschten Wirkeintritt und der Stabilität der Substanz ab.
Die schnellste und vollständigste Wirkung wird durch die intravenöse Gabe erreicht, bei der die Bioverfügbarkeit definitionsgemäß 100 % beträgt. Andere Darreichungsformen müssen sich an diesem Goldstandard messen lassen. Die sublinguale Einnahme (unter die Zunge), zum Beispiel bei Vitamin B12-Tropfen, umgeht den First-Pass-Effekt in der Leber, da der Wirkstoff direkt über die Mundschleimhaut ins Blut gelangt. Dies führt zu einer sehr hohen Bioverfügbarkeit. Die gängigste Form ist die orale Einnahme als Tablette, Kapsel oder Saft. Hier ist die Bioverfügbarkeit am stärksten variabel und oft am niedrigsten. Eine moderne und sehr effektive Methode sind liposomale Formulierungen. Dabei wird der Wirkstoff in kleine Fettbläschen (Liposomen) verpackt. Diese Hülle schützt ihn vor der Magensäure und erleichtert die Aufnahme durch die Darmwand, was die Bioverfügbarkeit signifikant steigern kann.
Darreichungsform | Typische Bioverfügbarkeit | Vorteile & Nachteile |
---|---|---|
Intravenös (i.v.) | 100 % (per Definition) | Vorteil: Sofortige, vollständige Wirkung. Nachteil: Nur durch medizinisches Personal, invasiv. |
Sublingual (unter die Zunge) | Hoch (z. B. 50-95 %) | Vorteil: Schnell, umgeht den First-Pass-Effekt. Nachteil: Nur für bestimmte Wirkstoffe geeignet. |
Oral (Tablette, Kapsel) | Stark variabel (z. B. 5-80 %) | Vorteil: Einfache Einnahme, kostengünstig. Nachteil: Starke Verluste durch First-Pass-Effekt. |
Liposomal (oral) | Sehr hoch (oft > 90 %) | Vorteil: Hohe Aufnahme, Schutz des Wirkstoffs. Nachteil: Oft teurer in der Herstellung. |
Transdermal (Pflaster) | Moderat bis hoch, langsam | Vorteil: Gleichmäßige Abgabe, umgeht Magen-Darm. Nachteil: Nur für fettlösliche, kleine Moleküle. |
Wie kann ich die Bioverfügbarkeit gezielt verbessern? Praktische Tipps
Sie sind dem Schicksal der Bioverfügbarkeit nicht hilflos ausgeliefert. Mit einigen einfachen Tricks können Sie die Aufnahme von Nähr- und Wirkstoffen aus Nahrungsergänzungsmitteln und Lebensmitteln aktiv unterstützen und so deren Effektivität maximieren.
Kombinieren Sie clever
Manche Stoffe wirken als „Bioenhancer“, also als natürliche Verstärker. Die bekannteste Kombination ist die Einnahme von Eisen zusammen mit Vitamin C. Das Vitamin C verbessert die Resorption von pflanzlichem Eisen im Darm erheblich. Ein Glas Orangensaft zum Linsen-Gericht ist also nicht nur lecker, sondern auch clever. Wie bereits erwähnt, steigert Piperin aus schwarzem Pfeffer die Aufnahme von Curcumin. Fettlösliche Vitamine wie Vitamin D oder K2 sollten immer mit einer fetthaltigen Mahlzeit eingenommen werden – ein paar Nüsse, etwas Avocado oder ein Schuss Olivenöl im Salat reichen oft schon aus.
Vermeiden Sie ungünstige Paare
Genauso wie es positive Kombinationen gibt, existieren auch negative. Kalzium und Eisen konkurrieren im Darm um dieselben Aufnahme-Kanäle. Daher sollten Sie ein Eisenpräparat nicht zusammen mit einem Glas Milch oder einem kalziumreichen Joghurt einnehmen. Halten Sie einen Abstand von mindestens zwei Stunden ein. Auch Kaffee, schwarzer und grüner Tee enthalten Tannine, die die Eisen- und Zinkaufnahme hemmen. Genießen Sie diese Getränke also am besten mit zeitlichem Abstand zu Ihren Mahlzeiten oder der Einnahme von Mineralstoffpräparaten. Eine besondere Warnung gilt für Grapefruitsaft: Er kann ein wichtiges Enzym (CYP3A4) in der Leber blockieren und so die Bioverfügbarkeit vieler Medikamente unkontrolliert erhöhen, was zu gefährlichen Überdosierungen führen kann.
Die Rolle der Bioverfügbarkeit in der Medizin und Pharmazie
In der Entwicklung und Zulassung von Arzneimitteln ist die Bioverfügbarkeit eine der wichtigsten Kenngrößen. Pharmaunternehmen investieren Millionen, um die exakte Bioverfügbarkeit ihrer Wirkstoffe zu bestimmen. Diese Daten sind unerlässlich, um die korrekte Dosierung eines Medikaments festzulegen. Wenn ein Wirkstoff beispielsweise nur eine orale Bioverfügbarkeit von 20 % hat, muss die Tablette die fünffache Menge des Wirkstoffs enthalten, die bei einer intravenösen Gabe nötig wäre, um die gleiche Konzentration im Blut zu erreichen.
Eine besondere Bedeutung hat hierbei der Begriff der Bioäquivalenz. Wenn der Patentschutz eines Originalmedikaments ausläuft, dürfen andere Firmen Nachahmerprodukte, sogenannte Generika, herstellen. Für die Zulassung eines Generikums muss der Hersteller nachweisen, dass sein Produkt bioäquivalent zum Original ist. Das bedeutet, dass die Bioverfügbarkeit (also die Aufnahmegeschwindigkeit und das Ausmaß) des Wirkstoffs innerhalb enger statistischer Grenzen identisch sein muss. Dies stellt sicher, dass das günstigere Generikum die exakt gleiche medizinische Wirkung und Sicherheit wie das teurere Originalpräparat aufweist. Der Patient kann sich also darauf verlassen, ein wirkstoffgleiches und gleichwertiges Medikament zu erhalten.
Bioverfügbarkeit und Lebensmittel: Nährstoffe aus der Nahrung optimal nutzen
Das Prinzip der Bioverfügbarkeit beschränkt sich nicht nur auf Pillen und Pulver, sondern ist auch für unsere tägliche Ernährung von großer Relevanz. Nicht alle Nährstoffe, die auf dem Papier in einem Lebensmittel enthalten sind, können von unserem Körper auch vollständig genutzt werden. Die Zubereitungsart und die Kombination von Lebensmitteln spielen eine entscheidende Rolle.
Ein gutes Beispiel ist das Lycopin in Tomaten, ein starkes Antioxidans. Rohe Tomaten sind gesund, doch durch das Kochen werden die Zellwände aufgebrochen, und das Lycopin wird für den Körper deutlich besser verfügbar. Eine gekochte Tomatensauce ist also eine bessere Lycopin-Quelle als eine rohe Tomate. Auch bei Gemüse macht die Zubereitung einen Unterschied: Beim Kochen gehen wasserlösliche Vitamine (wie Vitamin C und B-Vitamine) ins Kochwasser über. Schonendes Dünsten oder Dämpfen ist hier die bessere Methode, um die Nährstoffe zu erhalten. Bestimmte Pflanzenstoffe, sogenannte Antinährstoffe wie Phytinsäure (in Getreide, Hülsenfrüchten) oder Oxalsäure (in Spinat, Rhabarber), können Mineralstoffe wie Eisen, Zink und Kalzium binden und deren Aufnahme blockieren. Durch Einweichen, Keimen oder Fermentieren (z. B. bei Sauerteigbrot) können diese Antinährstoffe abgebaut und die Bioverfügbarkeit der Mineralien erhöht werden.
Fazit: Warum ein Blick auf die Bioverfügbarkeit entscheidend ist
Die Bioverfügbarkeit ist weit mehr als ein trockener Begriff aus der Pharmakologie. Sie ist der Schlüssel, der darüber entscheidet, ob ein wertvoller Wirkstoff oder Nährstoff seine Aufgabe in unserem Körper erfüllen kann. Ein Bewusstsein für dieses Konzept ermöglicht es uns, fundierte Entscheidungen für unsere Gesundheit zu treffen. Es lehrt uns, dass es nicht allein darum geht, was wir zu uns nehmen, sondern vor allem darum, wie es unser Körper verwerten kann.
Indem Sie auf hoch bioverfügbare Produktformen achten, die Einnahme von Präparaten optimieren und Lebensmittel clever kombinieren, können Sie die Effizienz Ihrer Gesundheitsvorsorge deutlich steigern. Sie vermeiden die Verschwendung von Geld für unwirksame Produkte und stellen sicher, dass Ihr Körper genau das bekommt, was er braucht. Ein kritischer Blick auf die Details – sei es die chemische Verbindung eines Minerals oder die richtige Kombination auf dem Teller – ist ein kleiner Aufwand mit potenziell großer Wirkung für Ihr Wohlbefinden. Letztendlich befähigt Sie das Wissen über Bioverfügbarkeit, die Verantwortung für Ihre Gesundheit aktiv in die eigene Hand zu nehmen.