- Zweckbestimmung: Arzneimittel sind zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten bestimmt. Nahrungsergänzungsmittel sollen lediglich die allgemeine Ernährung mit Nährstoffen wie Vitaminen oder Mineralstoffen ergänzen.
- Zulassung: Arzneimittel durchlaufen ein strenges staatliches Zulassungsverfahren (durch das BfArM oder PEI), bei dem Wirksamkeit, Qualität und Unbedenklichkeit nachgewiesen werden müssen. Nahrungsergänzungsmittel benötigen keine Zulassung, sondern müssen nur beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) angezeigt werden.
- Werbung: Für Arzneimittel darf mit konkreten krankheitsbezogenen Heilaussagen geworben werden. Bei Nahrungsergänzungsmitteln sind nur wissenschaftlich geprüfte, gesundheitsbezogene Aussagen (Health Claims) erlaubt, die sich auf die Erhaltung normaler Körperfunktionen beziehen.
- Sicherheit und Kontrolle: Die Sicherheit von Arzneimitteln wird durch klinische Studien umfassend belegt. Bei Nahrungsergänzungsmitteln liegt die Verantwortung für die Sicherheit beim Hersteller, ähnlich wie bei anderen Lebensmitteln. Eine systematische Erfassung von Nebenwirkungen findet nicht statt.
Die grundlegende Unterscheidung: Zweck und rechtlicher Rahmen
Auf den ersten Blick mögen sie sich ähneln: Kapseln, Tabletten und Pulver, die unsere Gesundheit unterstützen sollen. Doch der Unterschied zwischen einem Arzneimittel und einem Nahrungsergänzungsmittel ist fundamental und hat weitreichende Konsequenzen für Sie als Verbraucher. Der Kern der Abgrenzung liegt in der sogenannten Zweckbestimmung und dem damit verbundenen rechtlichen Rahmen.
Ein Arzneimittel wird per Definition dafür hergestellt, Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen. Seine Aufgabe ist es, die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen. Die gesetzliche Grundlage hierfür ist das strenge Arzneimittelgesetz (AMG) in Deutschland. Dieses Gesetz regelt alles von der Herstellung über die Zulassung bis hin zur Abgabe und Überwachung.
Ein Nahrungsergänzungsmittel (NEM) hingegen ist rechtlich ein Lebensmittel. Sein einziger Zweck ist es, die normale Ernährung zu ergänzen. Es liefert Konzentrate von Nährstoffen wie Vitaminen und Mineralstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung. Die gesetzliche Basis bilden hier das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) sowie die spezielle Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV). Ein NEM darf niemals den Eindruck erwecken, es könne Krankheiten heilen oder lindern. Diese klare Trennung ist der wichtigste Schutz für Verbraucher.
Arzneimittel: Streng geprüft für Heilung und Linderung
Der Weg eines Arzneimittels vom Labor bis in die Apotheke ist lang, teuer und streng reguliert. Bevor ein Medikament in Deutschland verkauft werden darf, muss es ein komplexes staatliches Zulassungsverfahren durchlaufen. Die zuständigen Behörden sind das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) oder, bei Impfstoffen und biomedizinischen Arzneimitteln, das Paul-Ehrlich-Institut (PEI).
Der Nachweis von Wirksamkeit, Qualität und Unbedenklichkeit
Im Zentrum dieses Verfahrens steht der wissenschaftliche Beweis, dass das Mittel die drei entscheidenden Kriterien erfüllt:
- Wirksamkeit: Der Hersteller muss in umfangreichen klinischen Studien an Menschen nachweisen, dass das Medikament die versprochene heilende oder lindernde Wirkung bei der angegebenen Krankheit tatsächlich hat.
- Unbedenklichkeit: Mögliche Nebenwirkungen und Risiken müssen systematisch erfasst, bewertet und gegen den erwarteten Nutzen abgewogen werden. Nur wenn der Nutzen die Risiken überwiegt, kann eine Zulassung erfolgen. Alle bekannten Nebenwirkungen müssen im Beipackzettel aufgeführt werden.
- Qualität: Die pharmazeutische Qualität muss einwandfrei sein. Das bedeutet, dass jede einzelne Tablette oder Dosis exakt die angegebene Menge des Wirkstoffs in reiner Form enthält und nach höchsten Standards hergestellt wird.
Diese rigorose Prüfung stellt sicher, dass Sie sich auf die Wirkung und Sicherheit eines zugelassenen Arzneimittels verlassen können, wenn es gemäß der ärztlichen Verordnung oder der Packungsbeilage angewendet wird. Auch nach der Zulassung wird der Markt kontinuierlich überwacht, um neue Risiken schnell zu erkennen.
Nahrungsergänzungsmittel: Lebensmittel zur Ergänzung der normalen Kost
Im direkten Gegensatz zu Arzneimitteln unterliegen Nahrungsergänzungsmittel (NEM) dem Lebensmittelrecht. Sie werden nicht zugelassen, sondern müssen lediglich beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) registriert, also „angezeigt“ werden. Dieser Vorgang ist ein reiner Verwaltungsakt und keine Prüfung von Wirksamkeit oder Sicherheit.
Die Verantwortung des Herstellers
Bei NEM liegt die volle Verantwortung für die Sicherheit des Produkts beim Hersteller, der rechtlich als Lebensmittelunternehmer gilt. Er muss sicherstellen, dass sein Produkt für den Verzehr sicher ist und den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Eine präventive, staatliche Überprüfung der Zusammensetzung oder der Reinheit der Inhaltsstoffe vor dem Verkauf findet nicht statt. Die Lebensmittelüberwachungsbehörden der Bundesländer führen lediglich stichprobenartige Kontrollen am Markt durch. Das bedeutet, eine garantierte Wirksamkeit für eine bestimmte gesundheitliche Verbesserung muss nicht nachgewiesen werden. Der Fokus liegt allein auf der Sicherheit als Lebensmittel und der Ergänzung der Ernährung. Ein NEM ist dazu da, Nährstofflücken zu füllen, die durch eine unausgewogene Ernährung entstehen können – nicht aber, um einen Mangel zu therapieren, der bereits zu einer Krankheit geführt hat. Das wäre wieder die Aufgabe eines Arzneimittels.
Inhaltsstoffe und Dosierung: Ein entscheidender Faktor
Ein weiterer zentraler Unterschied liegt in den verwendeten Stoffen und ihrer Konzentration. Arzneimittel enthalten definierte pharmazeutische Wirkstoffe, deren Ziel es ist, gezielt in die Stoffwechselprozesse des Körpers einzugreifen, um eine Krankheit zu bekämpfen oder Symptome zu lindern. Die Dosierung ist exakt auf diese pharmakologische Wirkung abgestimmt und wird in klinischen Studien ermittelt.
Nahrungsergänzungsmittel hingegen enthalten primär Nährstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, Aminosäuren oder Fettsäuren sowie Pflanzenextrakte. Diese Stoffe kommen auch in normalen Lebensmitteln vor. Bei NEM liegen sie jedoch in konzentrierter und dosierter Form vor. Die Dosierung soll in der Regel einen ernährungsphysiologischen Effekt haben, also die normalen Körperfunktionen unterstützen, aber keine pharmakologische Wirkung entfalten. Es gibt zwar gesetzliche Höchstmengenempfehlungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) für Vitamine und Mineralstoffe in NEM, diese sind jedoch rechtlich nicht bindend für die Hersteller. Daher ist bei hochdosierten Produkten Vorsicht geboten, da eine übermäßige Zufuhr bestimmter Nährstoffe gesundheitsschädlich sein kann. Eine Überdosierung von fettlöslichen Vitaminen wie Vitamin A oder D kann beispielsweise zu Vergiftungserscheinungen führen.
Werbung und Gesundheitsversprechen: Was darf gesagt werden?
Die Art und Weise, wie ein Produkt beworben werden darf, spiegelt seine rechtliche Einstufung wider. Hier sind die Unterschiede besonders deutlich und für Verbraucher leicht zu erkennen.
Krankheitsbezogene Werbung bei Arzneimitteln
Bei Arzneimitteln ist die Werbung klar und direkt: Es darf mit der Heilung, Linderung oder Verhütung konkreter Krankheiten geworben werden. Aussagen wie „senkt den Bluthochdruck“, „lindert Kopfschmerzen“ oder „wirkt gegen Sodbrennen“ sind typisch und zulässig, da die Wirksamkeit dafür im Zulassungsverfahren nachgewiesen wurde. Für verschreibungspflichtige Arzneimittel ist die Werbung gegenüber Laien gänzlich verboten und nur für Fachkreise (Ärzte, Apotheker) erlaubt.
Funktionsbezogene Werbung bei Nahrungsergänzungsmitteln
Für Nahrungsergänzungsmittel ist jegliche krankheitsbezogene Werbung streng verboten. Produkte dürfen nicht den Anschein erwecken, sie könnten Krankheiten heilen. Stattdessen sind nur sehr spezifische, wissenschaftlich geprüfte gesundheitsbezogene Aussagen, sogenannte Health Claims, erlaubt. Diese sind in der EU-weit gültigen Health-Claims-Verordnung (HCVO) streng geregelt. Ein Claim muss sich immer auf die Erhaltung einer normalen Körperfunktion beziehen.
Ein typisches Beispiel:
- Verbotene Krankheitsaussage (NEM): „Schützt vor Herzinfarkt.“
- Erlaubter Health Claim (NEM): „Vitamin B1 trägt zu einer normalen Herzfunktion bei.“
Diese feinen, aber wichtigen Formulierungsunterschiede helfen Ihnen dabei, unseriöse Produkte zu erkennen, die unrealistische Heilversprechen machen.
Die Vergleichstabelle: Arzneimittel vs. Nahrungsergänzungsmittel auf einen Blick
Um die wesentlichen Unterschiede übersichtlich darzustellen, hilft ein direkter Vergleich. Die folgende Tabelle fasst die wichtigsten Merkmale zusammen und dient als praktische Orientierungshilfe bei Ihrer Entscheidung.
Merkmal | Arzneimittel | Nahrungsergänzungsmittel (NEM) |
---|---|---|
Zweck | Heilung, Linderung, Verhütung oder Diagnose von Krankheiten. Beeinflussung von Körperfunktionen. | Ergänzung der normalen Ernährung mit Nährstoffen. |
Rechtsgrundlage | Arzneimittelgesetz (AMG) | Lebensmittelrecht (LFGB, NemV) |
Zulassung / Registrierung | Staatliches Zulassungsverfahren mit Nachweis von Wirksamkeit, Qualität und Unbedenklichkeit. | Keine Zulassung. Lediglich eine Anzeigepflicht beim BVL. |
Wirksamkeitsnachweis | Verpflichtend durch klinische Studien. | Nicht erforderlich. |
Werbeaussagen | Krankheitsbezogene Heilaussagen sind erlaubt. | Nur erlaubte, funktionsbezogene Health Claims. Krankheitsbezogene Werbung ist verboten. |
Vertriebswege | Oft apothekenpflichtig oder sogar verschreibungspflichtig. | Frei verkäuflich in Drogerien, Supermärkten, Apotheken und im Online-Handel. |
Verantwortung | Pharmazeutischer Unternehmer. Strenge staatliche Überwachung. | Lebensmittelunternehmer (Hersteller/Inverkehrbringer). Kontrolle durch stichprobenartige Lebensmittelüberwachung. |
Risiken und Nebenwirkungen: Wer prüft die Sicherheit?
Die Sicherheit von Verbrauchern hat oberste Priorität, doch die Herangehensweise ist bei beiden Produktgruppen grundverschieden. Bei Arzneimitteln ist die Erfassung von Risiken ein zentraler Bestandteil des gesamten Lebenszyklus. Vor der Zulassung werden in klinischen Studien systematisch alle auftretenden Nebenwirkungen dokumentiert und bewertet. Diese müssen, nach Häufigkeit geordnet, im Beipackzettel aufgelistet werden. So können Arzt und Patient eine informierte Entscheidung treffen und das Nutzen-Risiko-Verhältnis abwägen. Auch nach der Markteinführung werden Meldungen über Nebenwirkungen weltweit gesammelt und ausgewertet (Pharmakovigilanz).
Bei Nahrungsergänzungsmitteln gibt es ein solches System nicht. Die allgemeine Produktsicherheit muss zwar wie bei jedem Lebensmittel gewährleistet sein, aber es gibt keine Pflicht zu klinischen Studien vor dem Verkauf. Mögliche Risiken wie Überdosierungen, Verunreinigungen mit Schadstoffen oder unerwünschte Wechselwirkungen mit eingenommenen Arzneimitteln werden nicht systematisch untersucht. Insbesondere bei Produkten aus unsicheren Online-Quellen besteht die Gefahr, dass sie nicht deklarierte, pharmakologisch wirksame Substanzen oder Verunreinigungen enthalten. Daher ist es besonders wichtig, vor der Einnahme von NEM, insbesondere in Kombination mit Medikamenten, ärztlichen oder pharmazeutischen Rat einzuholen.
Grauzonen und Abgrenzungsprobleme: Wenn die Grenzen verschwimmen
Obwohl die rechtliche Definition klar ist, gibt es in der Praxis immer wieder sogenannte Borderline-Produkte, bei denen die Einstufung schwierig ist. Die Entscheidung, ob ein Produkt als Arzneimittel oder als Nahrungsergänzungsmittel gilt, hängt von mehreren Faktoren ab und wird im Einzelfall von den zuständigen Behörden und Gerichten getroffen.
Die Dosis macht das Gift – und das Arzneimittel
Ein entscheidendes Kriterium ist oft die Dosierung eines Inhaltsstoffs. Ein und derselbe Stoff kann in niedriger Dosierung als Nährstoff in einem NEM gelten, in hoher Dosierung jedoch eine pharmakologische Wirkung entfalten und somit als Arzneimittel eingestuft werden. Ein klassisches Beispiel ist Vitamin D: In üblichen Dosen zur Ergänzung der Nahrung ist es ein NEM. In sehr hohen Dosen zur Therapie von Osteoporose ist es ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel. Ähnliches gilt für bestimmte Pflanzenextrakte. Johanniskraut-Präparate zur Stimmungsaufhellung sind aufgrund ihrer nachgewiesenen pharmakologischen Wirkung als Arzneimittel zugelassen und apothekenpflichtig.
Auch die Aufmachung des Produkts und die vom Hersteller getätigten Werbeaussagen spielen eine Rolle. Wenn ein Produkt durch seine Verpackung oder Werbung den Eindruck erweckt, es diene der Heilung einer Krankheit, kann es als sogenanntes „Präsentationsarzneimittel“ eingestuft werden – unabhängig von seinen Inhaltsstoffen. Diese Abgrenzung schützt Verbraucher vor irreführenden Gesundheitsversprechen.
Praktische Tipps für Verbraucher: Worauf Sie achten sollten
Die Unterscheidung zwischen Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln ist für Ihre Gesundheit entscheidend. Mit dem richtigen Wissen können Sie informierte und sichere Entscheidungen treffen. Hier sind einige praktische Ratschläge, die Ihnen im Alltag helfen:
Sprechen Sie mit Experten
Der wichtigste Rat lautet: Sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Apotheker, bevor Sie zu einem Produkt greifen. Dies gilt insbesondere, wenn Sie bereits Medikamente einnehmen, schwanger sind, stillen oder an einer chronischen Erkrankung leiden. Experten können beurteilen, ob eine Ergänzung für Sie sinnvoll ist, welches Produkt geeignet ist und ob es zu gefährlichen Wechselwirkungen mit Ihren Arzneimitteln kommen kann.
Seien Sie kritisch gegenüber Werbeversprechen
Lassen Sie sich nicht von unrealistischen Heilsversprechen blenden, besonders im Internet oder in den sozialen Medien. Denken Sie daran: Nahrungsergänzungsmittel dürfen Krankheiten nicht heilen. Wenn ein Produkt als Wundermittel gegen schwere Erkrankungen wie Krebs oder Arthritis beworben wird, handelt es sich um eine illegale und unseriöse Werbung. Seriöse NEM erkennen Sie an den erlaubten, funktionsbezogenen Health Claims.
Lesen Sie das Etikett genau
Ein Blick auf die Verpackung verrät viel. Ein Arzneimittel erkennen Sie an der Zulassungsnummer (Zul.-Nr.). Ein Nahrungsergänzungsmittel muss klar als solches gekennzeichnet sein („Nahrungsergänzungsmittel“). Prüfen Sie zudem die Zutatenliste und die Dosierungsempfehlungen. Überschreiten Sie niemals die empfohlene Tagesdosis. Kaufen Sie Produkte vorzugsweise aus vertrauenswürdigen Quellen wie lokalen Apotheken, Drogerien oder etablierten Online-Händlern in Deutschland, um die Gefahr von verunreinigten oder gefälschten Produkten zu minimieren.