Dein Online-Magazin für ein besseres & vitaleres Leben.

refill of liquid on tubes

Warum Durchschnittswerte in Gesundheitsstudien nicht für alle gelten

17. Juli 2025

  • Durchschnittswerte in Studien sind statistische Hilfsmittel für Gruppen, aber keine präzisen Vorgaben für Einzelpersonen.
  • Ihre individuelle Reaktion auf Ernährung, Medikamente oder Training wird maßgeblich von Ihrer einzigartigen Genetik, Ihrem Lebensstil und Ihrer Umwelt geprägt.
  • Viele Gesundheitsweisheiten basieren auf veralteten Studien, in denen Frauen und bestimmte ethnische Gruppen unterrepräsentiert waren.
  • Personalisierte Medizin und Gesundheit basieren darauf, individuelle Unterschiede zu verstehen und Therapiepläne darauf abzustimmen.
  • Ein kritischer Umgang mit Gesundheitsnachrichten ist entscheidend; hinterfragen Sie, wer untersucht wurde und ob ein Durchschnitt als absolute Regel dargestellt wird.

Die Macht des Durchschnitts: Warum wir ihm so oft vertrauen

Jeden Tag begegnen uns Durchschnittswerte. Wir lesen, dass der Deutsche im Schnitt 100 Liter Kaffee pro Jahr trinkt, acht Stunden pro Nacht schlafen sollte oder ein Body-Mass-Index (BMI) zwischen 18,5 und 24,9 als normal gilt. Diese Zahlen geben uns Orientierung und ein Gefühl der Sicherheit. Sie vereinfachen eine komplexe Welt zu verständlichen, handhabbaren Fakten. In der Wissenschaft und Medizin sind Durchschnittswerte ein unverzichtbares Werkzeug, um große Datenmengen zu analysieren und allgemeine Trends in der Bevölkerung zu erkennen. Sie ermöglichen es Forschern, die Wirksamkeit eines neuen Medikaments für eine große Gruppe von Patienten zu beurteilen oder allgemeine Ernährungsempfehlungen für ein ganzes Land auszusprechen.

Der Durchschnittswert ist also die Basis für viele wichtige Entscheidungen im Gesundheitswesen. Er liefert einen Referenzpunkt, einen sogenannten Benchmark, an dem wir uns messen können. Wenn unser Blutdruck über dem Durchschnitt liegt, wissen wir, dass Handlungsbedarf bestehen könnte. Diese Vereinfachung hat jedoch einen Preis. Indem wir uns auf den Mittelwert konzentrieren, ignorieren wir die enorme Vielfalt, die innerhalb dieser Gruppe existiert. Der Durchschnitt ist eine mathematische Konstruktion, keine reale Person. Niemand ist in allen Aspekten seines Lebens exakt durchschnittlich. Diese Tatsache wird oft übersehen, wenn Studienergebnisse in den Medien präsentiert werden und pauschale Ratschläge daraus abgeleitet werden. Das Vertrauen in den Durchschnitt führt zu einem „One-size-fits-all“-Ansatz, der für viele Menschen schlichtweg nicht passt.

Die Gaußsche Normalverteilung: Der statistische Trugschluss

Um zu verstehen, warum Durchschnittswerte so trügerisch sein können, hilft ein Blick auf ein grundlegendes statistisches Konzept: die Gaußsche Normalverteilung, oft auch als „Glockenkurve“ bezeichnet. Stellen Sie sich vor, wir messen die Körpergröße von Tausenden erwachsenen Männern in Deutschland. Tragen wir die Ergebnisse in ein Diagramm ein, wird sich wahrscheinlich eine Glockenform ergeben. In der Mitte, am höchsten Punkt der Kurve, befindet sich der Durchschnittswert – zum Beispiel 1,80 Meter. Die meisten Männer werden sich in der Nähe dieses Wertes befinden. Die Kurve zeigt uns aber auch, dass es Männer gibt, die deutlich kleiner oder größer sind. Diese befinden sich an den flacheren Rändern der Glocke.

Was die Ränder der Kurve bedeuten

Der entscheidende Punkt ist: Diese Menschen an den Rändern sind keine statistischen Fehler oder Ausreißer. Sie sind ein normaler und wichtiger Teil der Gesamtverteilung. Ein Mann, der 1,65 Meter groß ist, und einer, der 1,95 Meter misst, sind genauso „real“ wie der Durchschnittsmann mit 1,80 Metern. Wendet man dieses Prinzip auf die Gesundheit an, werden die Probleme offensichtlich. Wenn eine Medikamentendosis für den „Durchschnittspatienten“ entwickelt wird, was passiert dann mit den Patienten an den Rändern der Glockenkurve? Für die einen könnte die Dosis zu schwach und damit wirkungslos sein, für die anderen zu stark und gefährliche Nebenwirkungen hervorrufen. Der Durchschnitt beschreibt die Mehrheit, aber er ignoriert die Realität der individuellen Unterschiede, die für die persönliche Gesundheit entscheidend sind.

Dieser statistische Trugschluss verleitet uns zu der Annahme, dass Abweichungen vom Mittelwert problematisch sind. In Wahrheit sind sie ein Ausdruck der natürlichen menschlichen Vielfalt.

Genetische Vielfalt: Warum Ihr Körper anders reagiert

Einer der Hauptgründe, warum pauschale Gesundheitsempfehlungen oft scheitern, liegt in unseren Genen. Unsere DNA ist der Bauplan für unseren Körper und bestimmt unzählige Prozesse, von der Haarfarbe bis hin zur Funktionsweise unseres Stoffwechsels. Diese genetische Einzigartigkeit sorgt dafür, dass jeder von uns anders auf Nahrung, Medikamente und Umweltreize reagiert. Was für eine Person gesund ist, kann für eine andere wirkungslos oder sogar schädlich sein.

Siehe auch  Warum natürlich kein wissenschaftlicher Begriff ist

Pharmakogenomik: Medikamente nach Maß

Ein besonders eindrucksvolles Feld ist die Pharmakogenomik. Sie untersucht, wie die genetische Ausstattung eines Menschen die Wirkung von Arzneimitteln beeinflusst. Ein klassisches Beispiel ist die Verstoffwechselung von Medikamenten in der Leber. Bestimmte Enzyme, deren Bauplan in unseren Genen festgelegt ist, sind für den Abbau von Wirkstoffen verantwortlich. Manche Menschen besitzen Genvarianten, die diese Enzyme sehr schnell arbeiten lassen („ultraschnelle Metabolisierer“), während sie bei anderen sehr langsam arbeiten („langsame Metabolisierer“). Eine Standarddosis eines Schmerzmittels oder Antidepressivums kann bei einem „langsamen Metabolisierer“ zu einer gefährlich hohen Konzentration im Blut führen, während sie bei einem „ultraschnellen Metabolisierer“ so schnell abgebaut wird, dass sie kaum eine Wirkung zeigt. Die durchschnittliche Dosis ist nur für Menschen mit einem „normalen“ Stoffwechsel optimal.

Stoffwechsel und Ernährung

Auch unsere Reaktion auf Lebensmittel ist genetisch vorbestimmt. Das bekannteste Beispiel ist die Laktoseintoleranz. Die Fähigkeit, Milchzucker im Erwachsenenalter zu verdauen, ist eine relativ neue genetische Mutation. Weltweit ist die Mehrheit der Menschen laktoseintolerant – der „Durchschnittsmensch“ kann also keine Milch verdauen. Dennoch gelten Milchprodukte in vielen westlichen Kulturen als gesund. Ähnliche genetische Unterschiede gibt es bei der Verarbeitung von Koffein, Alkohol oder bestimmten Fettsäuren. Ihre Gene bestimmen mit, ob ein Kaffee Sie wach macht oder nervös, und ob eine fettreiche Diät für Sie funktioniert oder nicht.

Der Einfluss von Lebensstil und Umwelt

Unsere Gene sind zwar der grundlegende Bauplan, aber sie agieren nicht im luftleeren Raum. Unser täglicher Lebensstil und die Umwelt, in der wir leben, haben einen gewaltigen Einfluss darauf, wie sich unsere genetische Veranlagung auswirkt. Dieses Zusammenspiel ist ein weiterer entscheidender Faktor, warum Durchschnittswerte für den Einzelnen oft keine Aussagekraft haben. Die Wissenschaft, die sich mit der Beeinflussung von Genen durch Umweltfaktoren beschäftigt, nennt sich Epigenetik. Sie zeigt, dass unser Verhalten und unsere Umgebung bestimmte Gene „an-“ oder „ausschalten“ können.

Ein Büroangestellter, der den ganzen Tag sitzt, hat einen völlig anderen Energie- und Nährstoffbedarf als ein Bauarbeiter, der schwere körperliche Arbeit verrichtet. Eine allgemeine Empfehlung für die tägliche Kalorienzufuhr, die auf einem Durchschnittswert basiert, wäre für einen der beiden unpassend. Genauso beeinflusst die geografische Lage unsere Gesundheit. Jemand, der in einer sonnigen Region lebt, hat wahrscheinlich einen besseren Vitamin-D-Status als jemand in Nordeuropa. Luftverschmutzung, Zugang zu frischen Lebensmitteln oder die Qualität des Trinkwassers sind weitere Umweltfaktoren, die den individuellen Gesundheitszustand prägen.

Auch psychosoziale Faktoren wie Stress, Schlafqualität und soziale Beziehungen spielen eine immense Rolle. Chronischer Stress kann das Immunsystem schwächen und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen, unabhängig von einer ansonsten „durchschnittlich“ gesunden Lebensweise. Eine Person, die regelmäßig Nachtschichten arbeitet, hat einen anderen Biorhythmus und andere gesundheitliche Herausforderungen als jemand mit einem geregelten 9-to-5-Job. All diese individuellen Lebensumstände verändern die Art und Weise, wie unser Körper funktioniert, und machen pauschale Ratschläge fragwürdig.

Das Problem der „Standard-Person“ in der Forschung

Ein schwerwiegendes Problem vieler älterer, aber auch mancher aktueller Gesundheitsstudien ist, dass die untersuchte Probandengruppe keineswegs die gesamte Bevölkerung repräsentiert. Über Jahrzehnte hinweg wurde medizinische Forschung vorrangig an einer sehr spezifischen Gruppe durchgeführt: jungen, weißen Männern. Diese Gruppe galt als „Standardmensch“, und die an ihnen gewonnenen Erkenntnisse wurden einfach auf alle anderen übertragen – auf Frauen, auf Menschen anderer Ethnien und auf ältere Personen. Dieser Umstand, oft als „Gender Data Gap“ oder allgemeiner als Repräsentationslücke bezeichnet, hat weitreichende Folgen.

Der männliche Standard in der Medizin

Frauen wurden lange Zeit aus klinischen Studien ausgeschlossen, oft mit der Begründung, ihre Hormonschwankungen würden die Ergebnisse verkomplizieren. Das Ergebnis: Viele Krankheiten, Medikamentendosierungen und Symptombeschreibungen basieren auf männlichen Daten. Ein klassisches Beispiel ist der Herzinfarkt. Die „typischen“ Symptome wie Schmerzen im linken Arm und Brustdruck sind vor allem bei Männern verbreitet. Frauen erleben oft unspezifischere Anzeichen wie Übelkeit, Kurzatmigkeit oder Rückenschmerzen, die deshalb häufig fehldiagnostiziert werden. Auch bei Medikamenten führt dieser Bias zu Problemen. Frauen bauen viele Wirkstoffe anders ab und erleben deshalb häufiger und stärkere Nebenwirkungen bei Standarddosierungen.

Siehe auch  Wie Fettaufnahme und Gesundheit wissenschaftlich bewertet werden

Fehlende ethnische Vielfalt

Ähnliches gilt für die ethnische Vielfalt. Menschen unterschiedlicher Herkunft haben genetische Variationen, die ihre Anfälligkeit für bestimmte Krankheiten oder ihre Reaktion auf Medikamente beeinflussen. So wirken beispielsweise bestimmte Blutdruckmedikamente bei Menschen mit afrikanischer Abstammung anders als bei Menschen mit europäischer Abstammung. Wenn Studien jedoch fast ausschließlich an einer ethnischen Gruppe durchgeführt werden, bleiben diese wichtigen Unterschiede unentdeckt. Die „durchschnittliche“ Empfehlung, die aus einer solchen Studie abgeleitet wird, ist dann für große Teile der Weltbevölkerung nicht optimal oder sogar riskant.

Konkrete Beispiele: Wo der Durchschnitt versagt

Theoretische Erklärungen sind wichtig, aber erst konkrete Beispiele aus dem Alltag zeigen deutlich, wie irreführend Durchschnittswerte sein können. In der Praxis erleben wir ständig, dass die allgemeine Regel für uns persönlich nicht zutrifft. Hier sind einige anschauliche Fälle, in denen die individuelle Biologie über den Durchschnitt siegt.

Beispiel 1: Blutzucker und Ernährung

Die Annahme, dass eine Banane oder ein Teller Nudeln bei jedem Menschen eine ähnliche Blutzuckerreaktion hervorruft, ist weit verbreitet – und falsch. Umfangreiche Studien, bei denen Hunderte von Menschen mit kontinuierlichen Glukosemessgeräten (CGMs) ausgestattet wurden, haben das Gegenteil bewiesen. Die exakt gleiche Mahlzeit kann bei Person A zu einem massiven Blutzuckeranstieg führen, während der Blutzuckerspiegel bei Person B nur leicht ansteigt. Die Gründe dafür sind vielfältig: die individuelle Zusammensetzung des Darmmikrobioms, genetische Faktoren und sogar die Tageszeit, zu der die Mahlzeit gegessen wird. Ein „durchschnittlicher“ glykämischer Index eines Lebensmittels ist daher nur ein grober Anhaltspunkt und keine persönliche Garantie.

Beispiel 2: Der individuelle Schlafbedarf

Die Regel „acht Stunden Schlaf pro Nacht“ ist tief in unserem Gesundheitsbewusstsein verankert. Doch auch hier handelt es sich um einen reinen Durchschnittswert. Es gibt Menschen mit einer bestimmten Genmutation (eine Variante des Gens DEC2), die als „Kurzschläfer“ bekannt sind. Sie kommen dauerhaft mit nur sechs Stunden Schlaf aus und sind dabei völlig gesund und leistungsfähig. Andere wiederum benötigen regelmäßig neun Stunden, um sich erholt zu fühlen. Sich starr an die Acht-Stunden-Regel zu klammern, kann für einen Kurzschläfer bedeuten, stundenlang wach im Bett zu liegen, während es für einen Langschläfer zu chronischem Schlafmangel führt. Der optimale Schlaf ist individuell, nicht durchschnittlich.

Die folgende Tabelle verdeutlicht diese individuellen Unterschiede am Beispiel von zwei fiktiven Personen im Vergleich zur durchschnittlichen Annahme:

Stimulus / Maßnahme Reaktion bei Person A (z.B. „langsamer Stoffwechsel“) Reaktion bei Person B (z.B. „schneller Stoffwechsel“) Durchschnittliche Annahme aus Studien
1 Tasse Kaffee (100 mg Koffein) Starker Energieschub, leichte Nervosität, Wirkung hält lange an Kaum spürbare Wirkung, kann kurz darauf einschlafen Mäßiger, ca. 4 Stunden anhaltender Energieschub
Mahlzeit mit 50g Kohlenhydraten (z.B. Banane) Starker Anstieg des Blutzuckerspiegels, gefolgt von einem Energietief Moderater und stabiler Anstieg des Blutzuckerspiegels Moderater Blutzuckeranstieg
Standarddosis eines Medikaments Starke Nebenwirkungen aufgrund langsamen Abbaus Keine ausreichende Wirkung aufgrund schnellen Abbaus Gute Wirksamkeit bei tolerierbaren Nebenwirkungen
Joggen (30 Minuten) Fühlt sich energiegeladen und erfrischt Fühlt sich tagelang erschöpft und ausgelaugt Verbessert die Stimmung und das Energielevel

Der Weg zur personalisierten Gesundheit: Was Sie tun können

Die Erkenntnis, dass Sie nicht der Durchschnitt sind, ist befreiend, kann aber auch verunsichernd sein. Wenn allgemeine Regeln nicht gelten, was ist dann der richtige Weg? Die Antwort liegt in der personalisierten Gesundheit. Es geht darum, vom passiven Empfänger pauschaler Ratschläge zum aktiven Gestalter der eigenen Gesundheit zu werden. Sie sind der Experte für Ihren Körper. Niemand kann besser beobachten, wie Sie auf bestimmte Lebensmittel, Sportarten oder Stress reagieren.

Werden Sie zum Forscher in eigener Sache

Der erste und wichtigste Schritt ist die Selbstbeobachtung. Führen Sie ein einfaches Gesundheitstagebuch, entweder digital oder auf Papier. Notieren Sie, was Sie essen und wie Sie sich danach fühlen – energiegeladen oder müde? Beobachten Sie Ihre Schlafqualität, Ihr Stresslevel und Ihre Stimmung. Wenn Sie eine neue sportliche Aktivität ausprobieren, achten Sie darauf, wie Ihr Körper reagiert. Diese Daten sind Ihr persönlicher Schatz. Sie müssen nicht jedes Detail exakt messen; es geht vielmehr darum, ein Bewusstsein für die Zusammenhänge zwischen Ihrem Verhalten und Ihrem Wohlbefinden zu entwickeln. Moderne Technologien wie Fitness-Tracker oder Apps können dabei helfen, sind aber kein Muss.

Siehe auch  Was Metaanalysen sind - und was sie leisten können

Das Gespräch mit dem Arzt suchen

Ihre Beobachtungen sind eine wertvolle Grundlage für das Gespräch mit Ihrem Arzt oder Therapeuten. Anstatt nur Symptome zu schildern, können Sie konkrete Muster aufzeigen. Sagen Sie nicht nur „Ich bin oft müde“, sondern „Immer wenn ich mittags Nudeln esse, fühle ich mich eine Stunde später extrem müde.“ Dies ermöglicht Ihrem Arzt, über die Standarddiagnostik hinauszudenken. Fragen Sie gezielt nach: „Gilt dieser empfohlene Grenzwert auch für mich, angesichts meiner persönlichen Vorgeschichte und meines Lebensstils?“ Ein guter Mediziner wird Ihre individuellen Beobachtungen ernst nehmen und in die Behandlungsstrategie einbeziehen.

Gesundheitsnachrichten kritisch lesen: Ein Leitfaden

Die Medien sind voll von Schlagzeilen, die auf neuen Gesundheitsstudien basieren. „Studie beweist: Dieses Lebensmittel schützt vor Krebs“ oder „Forscher finden den Schlüssel zu ewigem Leben“. Solche reißerischen Überschriften vereinfachen komplexe wissenschaftliche Ergebnisse oft bis zur Unkenntlichkeit und präsentieren einen Durchschnittswert als unumstößliche Wahrheit für jeden. Um nicht in diese Falle zu tappen, ist es entscheidend, Gesundheitsnachrichten mit einer gesunden Portion Skepsis zu begegnen und die richtigen Fragen zu stellen.

Ihr Werkzeugkasten für kritischen Konsum

Wenn Sie das nächste Mal eine solche Nachricht lesen, nehmen Sie sich einen Moment Zeit und prüfen Sie folgende Punkte:

  • Wer wurde untersucht? Wurde die Studie an Menschen oder an Mäusen durchgeführt? Wie groß war die Gruppe? Handelte es sich um junge Sportler oder um ältere, kranke Menschen? Waren Männer und Frauen gleichermaßen vertreten? Eine Studie an 20 Medizinstudenten hat eine andere Aussagekraft als eine an 10.000 Menschen aus allen Bevölkerungsschichten.
  • Wird Korrelation mit Kausalität verwechselt? Dies ist einer der häufigsten Fehler. Nur weil zwei Dinge gleichzeitig auftreten (z.B. Kaffeekonsum und ein geringeres Krankheitsrisiko), heißt das nicht, dass das eine das andere verursacht. Vielleicht haben Kaffeetrinker auch generell einen gesünderen Lebensstil.
  • Wie groß war der Effekt? Eine Schlagzeile kann einen Durchbruch verkünden, aber im Kleingedruckten der Studie stellt sich heraus, dass das Risiko nur um einen winzigen Bruchteil gesenkt wurde. Achten Sie auf die relative versus absolute Risikoreduktion.
  • Wird der Durchschnitt als absolute Regel dargestellt? Seien Sie wachsam, wenn Formulierungen wie „jeder sollte“ oder „man muss“ verwendet werden. Seriöse Berichterstattung nutzt eine vorsichtigere Sprache wie „könnte helfen“, „ist assoziiert mit“ oder „im Durchschnitt“.

Dieses kritische Hinterfragen schützt Sie davor, auf Basis einer einzelnen, übervereinfachten Schlagzeile voreilige Änderungen an Ihrem Lebensstil vorzunehmen. Wissenschaft ist ein Prozess, kein einzelnes Ergebnis. Warten Sie auf Bestätigung durch weitere, größere Studien, bevor Sie einen Ratschlag als gesichert betrachten.

Fazit: Sie sind nicht der Durchschnitt – und das ist gut so

Wir haben gesehen, dass Durchschnittswerte in der Gesundheitsforschung ein zweischneidiges Schwert sind. Sie sind unerlässlich für die Wissenschaft, um allgemeine Trends zu erkennen und bevölkerungsweite Strategien zu entwickeln. Doch für Sie als Individuum sind sie oft nicht mehr als ein grober Anhaltspunkt. Ihr Körper ist das einzigartige Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels aus Genen, Umwelt, Lebensstil und persönlicher Geschichte. Ihn in die Schablone des „Durchschnittsmenschen“ pressen zu wollen, ist nicht nur ungenau, sondern kann Ihrer Gesundheit sogar schaden.

Die wichtigste Botschaft dieses Artikels ist daher eine Ermutigung: Feiern Sie Ihre Individualität. Anstatt blind allgemeinen Gesundheitsregeln zu folgen, begeben Sie sich auf die spannende Reise, Ihren eigenen Körper und seine einzigartigen Bedürfnisse kennenzulernen. Werden Sie zum aufmerksamen Beobachter Ihrer Reaktionen, zum kritischen Leser von Gesundheitsnachrichten und zum mündigen Partner im Gespräch mit Ihrem Arzt. Die Zukunft der Medizin liegt in der Personalisierung – einem Ansatz, der nicht fragt, was für den Durchschnittsmenschen funktioniert, sondern was genau für Sie am besten ist.

Sie sind nicht der Durchschnitt. Und genau diese Einzigartigkeit ist der Schlüssel zu einem gesunden, selbstbestimmten und erfüllten Leben.

kathi dreimuth

Die Autorin
Kathi ist unsere sportliche Allrounderin mit einem besonderen Faible für gesunde Ernährung und Bewegung. Wenn sie nicht gerade neue Rezepte ausprobiert oder auf dem Volleyballplatz steht, ist sie mit ihrem Labrador in der Natur unterwegs.